B. Krug-Richter u.a. (Hrsg.): Frühneuzeitliche Universitätskulturen

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Titel
Frühneuzeitliche Universitätskulturen. Kulturhistorische Perspektiven auf die Hochschulen in Europa


Herausgeber
Krug-Richter, Barbara; Mohrmann, Ruth-E.
Erschienen
Köln 2009: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
424 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Sebastian Brändli

Die New Cultural History sucht sich ihre Wege aus der alten Kulturgeschichte, ohne in dieselbe zurückzufallen, aber auch ohne in neue Abhängigkeiten zu geraten, etwa zur Sozial-, zur Wirtschafts- oder auch zur Institutionengeschichte. Die frühneuzeitliche Universität ist für eine solche methodische Einmittung ein lohnendes Objekt, bilden diese Institutionen doch relativ klar begrenzte gesellschaftliche Inseln, die ihre (ständische) Stellung innerhalb der sie umgebenden Gesellschaft auch kulturell darstellen wollen und müssen. Dass dem so war (und immer noch ist), davon zeugen viele Stereotype, die vom universitären Leben abgezogen werden: Elfenbeinturm und davon abgeleitet: eine gewisse Weltfremdheit (woher wohl auch der vergessliche Professor stammen dürfte) und eine akademische Abgehobenheit auf der einen Seite, studentisches Leben mit eigener Organisation, Selbstverwaltung und Gerichtsbarkeit, aber auch mit Internationalität und mit (unüblich grosszügigem) Zeitmanagement sowie Burschenherrlichkeit und besonderen Sozialisationsformen auf der andern Seite. Es lohnt sich also, frühneuzeitliche Universitätskultur zu studieren, im Singular ebenso wie im Plural.

Der vorliegende Band ist ein Ergebnis einer Tagung des Sonderforschungsbereichs 496, «Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution» der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die 2005 an der Universität Münster durchgeführt wurde. Der kulturhistorische Approach neuen Typs, der stark theoriegeleitet, körperorientiert und sozial distinktiv angelegt ist, ist bei den vierzehn Beiträgen so konsequent durchgehalten, dass die politischen Settings und gesellschaftlichen Institutionen, die mit frühneuzeitlicher Universität verbunden sind, oft aus dem Blickfeld zu geraten drohen. Das Diktum von Wolfgang Kaschuba, festgehalten im Jahrbuch für Universitätsgeschichte 2007, dass «Alltagswelt Universität» zeigen soll, dass «Universität und Wissenschaft von konkreten Akteuren bevölkert und betrieben werden, deren Leben wie deren Ideen Teil der Gesellschaft sind und keiner akademischen Enklave» – in der Einleitung von Barbara Krug-Richter zitiert –, wird in den folgenden Beiträgen unterschiedlich ernst genommen.

Besonders hinweisen möchte ich auf die erwähnte Einleitung, die die neue Literatur souverän überblickt und die Fragestellungen zusammenfasst, sodann auf den Beitrag von Herman Roodenburg, der mit dem Artikel «Brains or Brawn. What were Early Modern Universities for?» auf die eher paradoxe Zielsetzung der frühneuzeitlichen Universität zwischen körperlicher und geistiger Entwicklung der Studenten hinweist, dann auf Carla Penuti, die sich mit neu erschlossenen Quellenbeständen einmal mehr dem Verhältnis von «town and gown» in Bologna zuwendet, sowie Marian Füssel, dessen Aufsatz «Talar und Doktorhut. Die gelehrte Kleiderordnung als Medium sozialer Distinktion» die kultur- und sozialgeschichtlichen Fragestellungen klug zu verbinden weiss. Weitere Beiträge gelten dem studentischen Fechten ebenso wie der Musik und dem Tanz, der Alltagsorganisation und dem Alltagsleben, der Disziplinierung und der Männlichkeit; ins Blickfeld geraten auch die Dozenten, sei es nun im Rahmen von sozialen Konflikten, mit ihren Distinktionswünschen (anhand von Grabmälern) sowie um ihre Gelehrtenkultur, am Beispiel von akademischer Gastfreundschaft. – Insgesamt ein schöner Band mit vielen interessanten Geschichten.

Zitierweise:
Sebastian Brändli: Rezension zu: Barbara Krug-Richter, Ruth-E. Mohrmann (Hg.): Frühneuzeitliche Universitätskulturen. Kulturhistorische Perspektiven auf die Hochschulen in Europa. Köln / Weimar / Wien, Böhlau Verlag, 2009. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 4, 2009, S. 476-477.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 59 Nr. 4, 2009, S. 476-477.

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